Meine ersten Erfahrungen... (60)

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„Guten Morgen, Tom!“ Ich schaute mit zusammengekniffenen Augen in den großen Spiegel über dem Waschbecken im Bad. Nein, dachte ich, das bin ich nicht. Das muss jemand anders sein! Da schaute einer zurück, der völlig verknittert war und seine geröteten Augen sowie die wilden Haare verrieten, dass er eine schlimme Nacht hinter sich hatte. „Nein“ antwortete ich „das bin ich nicht!“ Es kam keine Antwort…
Langsam schlich ich mich unter die Dusche. Vielleicht weckte sie wieder meine Lebensgeister. Ich stand eine gefühlte halbe Stunde unter dem wohltuenden Wasserregen, hatte meinen Arm gegen die Wand gelehnt und mich dagegen gelegt. So lief das Wasser sanft über meinen Rücken…
Und tatsächlich, ganz langsam kam ich wieder zu Sinnen…. Und damit auch wieder alles in diese Sinne, was gestern so passiert war. Unglaublich! Unfassbar!
Peter hatte mich „betrogen“ mit diesem blonden Heini und während ich am Bach saß und meinem Kummer freien Lauf ließ kam dieser Robert. Wer hatte ihn - um Gottes Willen – denn geradewegs zu mir geschickt? Gab es doch so was wie ein Schicksal? Irgendjemand, der am „großen Rad“ drehte?
Unwillkürlich musste ich an Horst denken. Er war sehr klug und hatte auch immer eine Weisheit auf Lager. Viele hatte ich mir nicht gemerkt, aber die eine fiel mir spontan ein „Manchmal passieren Dinge," sagte er einmal "die wir nicht verstehen. Besonders wenn es uns hart trifft. Wenn wir leiden, wenn wir etwas verlieren. Wir fragen uns: Warum das alles? Wieso passiert das ausgerechnet mir? Es gibt nicht sofort eine Antwort! Sie lässt auf sich warten. Manchmal Tage, manchmal Monate, manchmal auch Jahre! Aber dann verstehen wir, warum es so passieren musste.“ Ja, so war Horst! Ein kluger Mann, der auch mit solchen Weisheiten zu trösten wusste.
Und genau das fiel mir jetzt ein. Robert hätte ich nie getroffen, wenn Peter nicht mit dem Blonden…. Musste alles so kommen?
Wenig später saß ich am Frühstückstisch. „Na?“ sagte mein Vater und schaute mich an. Mit diesen zwei Buchstaben war alles gesagt bzw. gefragt. Es konnte bedeuten, wie geht es dir, was macht die Schule, wie war die Feier. Einfach „Na?“ und das bezog sich halt auf aktuelle Ereignisse. Und dass es sich auf Peters Geburtstagsparty gestern Abend bezog, war logisch. „Ja…“ ich zog die Antwort in die Länge „war ….ganz nett!“ Hoffentlich hatte Mama ihm nichts erzählt von meinem nächtlichen Besuch an der Toilettenschüssel! Nein, wusste ich, das macht sie nicht. Auf meine Mama konnte ich mich verlassen! Sie wusste ja auch über meine Neigungen Bescheid und dass ich Peter liebte. „Hääää? Liebte…?“ ich erschrak selbst bei diesem Gedanken. Ein kurzer Blick zu Mama verriet mir an ihrem Schmunzeln, dass sie nichts erzählt hatte. „Davon darf Papa nie etwas erfahren!“ hatte sie mir eingebläut, als ich ihr von der Beziehung zu Peter erzählte. Und er musste auch einiges andere nicht wissen, beschloss ich. „Waren doch einige Leute da….“ ergänzte ich noch, weil ich wusste, dass Papa sich nicht mit so einfachen Antworten zufrieden gab. „…war auch lustig. Aber so lange bin ich nicht geblieben.“ Und das war die Wahrheit. Papa fragte nicht warum und ich war froh drum.
Während ich die nächste Brötchenhälfte schmierte, fiel mir Robert ein. Viel wusste ich ja nicht von ihm. Und gesehen habe ich von ihm auch nicht sehr viel. Er war ein stattlicher großer Mann mit einer sehr beruhigenden Stimme, ja einer vertrauten Stimme. Es war jetzt kurz vor 11 Uhr. Ich sollte mir mal überlegen, was ich den Tag so anstellen wollte und am Abend, ja! Am Abend wollte ich zum Bach. Ich wollte Robert wiedersehen, ich war neugierig, ich war….
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