squirrl88 yrsMit queer assoziieren wir eher Jugend und Jungsein. Der Kampf um Sichtbarkeit und Akzeptanz ist jedoch nie vorbei. Wie ist es um Selbstbestimmung bestellt, wenn wir hilfe- und pflegebedürftig geworden sind?
Die große Aufgabe der gesellschaftlichen Inklusion im Bereich Alter kann nicht von der Community alleine bewältigt werden (Bild: IMAGO / Depositphotos)
Wir reden nicht gerne über das Alter und sollten es aber tun. Denn wir können nicht davon ausgehen, dass wir im Laufe unseres Lebens nicht doch eines Tages auf Unterstützung und Hilfe anderer angewiesen sind, was immer der Grund dafür sein mag. Und Gründe gibt es viele – gesundheitliche beispielsweise oder prekäre Lebensverhältnisse, Einsamkeit. Schon der Verlust der Selbständigkeit bedeutet eine tiefe Zäsur in einem Menschenleben.
Wir als queere Menschen haben immer irgendwann in unserem Leben angefangen dafür zu kämpfen, selbstbestimmt leben zu können, gleich ob es dabei um unsere sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität geht. Wir haben bei allen Widerständen, die wir tagtäglich erfahren, bis heute viel in Sachen queerer Sichtbarkeit erreicht und dürfen darauf stolz sein. Wie aber ist es um diese Selbstbestimmung bestellt, wenn wir hilfe- und pflegebedürftig geworden sind?
Im Alter wieder unsichtbar gemacht
Gerade queere Menschen sollten ein Interesse daran haben, dass die bestehenden Einrichtungen der Altenhilfe auf unsere Bedarfe und Bedürfnisse eingehen und dass wir gewiss sein können, dort in unserem Queer-Sein willkommen geheißen zu werden. Das ist leider keine Selbstverständlichkeit oder, um genau zu sein, heute noch die Ausnahme, wenn wir uns in Senior*innen-Wohnheimen, ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen, Freizeitstätten oder Hospizen umsehen oder uns auch die Lehrpläne von Pflegeschulen ansehen.
Natürlich stehen die vorhandenen Einrichtungen allen älteren Menschen offen, aber werden wir als queere Menschen dort respektiert und akzeptiert? Oder werden wir plötzlich wieder unsichtbar in unserem Schwul-, Bi- und Lesbisch-Sein, als trans, inter und nichtbinäre Menschen? Wir haben also allen Grund, über das Altwerden und das Alter zu reden.
Auch wenn wir bei der Frage der Öffnung der Altenhilfe-Einrichtungen für LGBTI erst am Anfang stehen, so bleibt doch festzuhalten: Es ist bereits einiges in Gang gekommen. Damit meine ich nicht nur die Initiativen, die aus den Communitys selbst entstanden sind – wie etwa die schwulen und lesbischen Wohnprojekte und ebenso die Organisationen, die sich für die Interessen älterer queerer Menschen stark machen. Da wären Vereine zu nennen wie Lesben und Alter, Rad und Tat (RuT), die Bundesinteressenvertretung schwuler Senioren (BISS) und die Schwulenberatung in Berlin mit ihrer Fachstelle LSBTI und Altern. Wir stehen auch längst nicht mehr alleine und können heute auf Verbündete zählen. Hier wäre vor allem der Sozialverband AWO hervorzuheben.
Das Mitgedacht-Werden ist das Entscheidende
Die große Aufgabe der gesellschaftlichen Inklusion im Bereich Alter kann nicht von der Community alleine bewältigt werden, um die bestehenden Infrastrukturen für ältere Menschen auf ein queersensibles Niveau zu bringen. Jedenfalls darf sich die vielbeschworene Sichtbarkeit nicht darin erschöpfen, dass wir uns im Alltag in Dauerschleifen des Outings bewegen mit der Unsicherheit, ob wir Akzeptanz und Solidarität erfahren, sondern vielmehr, dass wir im Sinne der Gleichstellung und Gleichberechtigung mitgedacht werden.
squirrl88 yrsDas Mitgedacht-Werden ist das Entscheidende. Nach meinen Erfahrungen (ich beschäftige mich seit drei Jahren mit dem Thema trans und Alter, mandatiert vom Bundesverband Trans*) wird das für die Zukunft noch lange eine Herausforderung bleiben und nicht zuletzt mit Blick auf eine Politik, die immer konservativer bis rechter wird und mit der die Anerkennung unserer berechtigten Forderungen nicht leichter wird. Im Gegenteil, gewisse Bündnisse und Parteien, die uns nur als "skurrile Minderheiten" und "Gender-Gaga" wahrnehmen, werden sich nicht für unsere Forderungen interessieren, weil sie uns am liebsten in die Abstellkammer schieben würden.
Queerpolitische Menschenrechtskonferenz der SPD
Doch, wie schon gesagt, es bewegt sich einiges im zivilgesellschaftlichen Bereich wie auch in der Politik. Für Letztere ist ein gutes Beispiel, die am 27. September in Berlin stattfindende 2. Queerpolitische Menschenrechtskonferenz, veranstaltet von der SPD-Bundestagsfraktion (leider sind dafür aktuell keine Anmeldungen mehr möglich).
Über den Tag verteilt wird es zahlreiche Panels geben mit Diskussionen zu menschenrechtlich relevanten Themen, die über den nationalen Tellerrand weit hinausgehen und internationale Beziehungen und Entwicklungen in den Blick nehmen. Um nur einige zu nennen: Wie sieht die Lebenssituation queerer Menschen in Afrika aus? Was können wir von Malta etwa im Umgang mit trans lernen? Wie steht es um die Geschlechterdiversität in Medizin und Wissenschaft? Wie begegnen wir Queerfeindlichkeit, die rund um den Globus für alarmierende Meldungen sorgt?
Eines der Panels wird sich dem Thema Queere Menschen im Alter widmen. Zu wünschen wäre, dass mit dem Gespräch das Bewusstsein für notwendige wie dringende Veränderungen vertieft werden kann. Wünschenswert wäre für mich ebenso, dass im Alltag der queeren Communitys Altwerden und Alter nicht länger ausgeblendet wird.
squirrl88 yrsAltersbericht erstmals mit LGBTI-Kapitel
Mit queer assoziieren wir eher Jugend und Jungsein, als wäre das Leben eine Dauerparty. Das darf gerne so sein und funktioniert auch ein stückweit in unserem Leben so, aber irgendwann meldet sich die Biologie in uns und lässt uns eines Tages fragen: Gibt es auch Partys für Senior*innen? Ich will keine Spielverderberin sein, aber niemand wird, wenn es um ein selbstbestimmtes Leben im Alter geht, wieder bei null anfangen wollen.
Ein weiteres positives Signal geht vom Neunten Altersbericht aus, der ursprünglich in diesem Monat vom Familienministerium (BMFSFJ) veröffentlicht werden sollte und nun wohl erst Anfang 2025 der Öffentlichkeit präsentiert wird, was immer dafür der oder die Gründe sein mögen. In dem Altersbericht gibt es erstmals ein LGBTI gewidmetes Kapitel, das empirische Erhebungen enthalten wird, die freilich auf die Erkenntnis hinauslaufen, dass nach wie vor eine generationenübergreifende Sozialstudie zur Lebenssituation queerer Menschen fehlt – und damit fehlen verlässliche, belastbare Zahlen. Begrüßenswert bleibt, dass die von den jeweiligen Bundesregierungen seit 1993 in Auftrag gegebenen Altersberichte nun endlich nach dreißig Jahren auch die sexuelle und geschlechtliche Diversität wahrnehmen.
Die erstmals 2006 vom BMFSFJ veröffentliche Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen hat zwar die Selbstbestimmung für ältere Menschen festgeschrieben, aber auch da bleibt der Fokus ausgesprochen heteronormativ, zumindest ist von geschlechtlicher Vielfalt nirgendwo die Rede. Gerade die Bereiche Pflege, Betreuung und Behandlung (Artikel 4 der Charta) wie auch Kommunikation, Wertschätzung und Teilhabe an der Gesellschaft (Artikel 6) setzen die Sensibilisierung für die spezifischen Bedarfe von queeren Menschen voraus, um auch ihnen gerecht zu werden.
Lasst uns also zur Abwechslung mal über das Altwerden und das Altsein sprechen. Denn wir hören damit ja nicht auf, queer zu sein, auf welche Weise wir es auch immer sind. Wenn wir Menschenrechte und die darin verankerte Selbstbestimmung ernst nehmen, gibt es keine Alternative zur Queerfreundlichkeit in den Einrichtungen der Altenhilfe. Nur entsteht die nicht von selbst, aber sie ist erlernbar.
K*******uEin Thema was sicher nicht Wenige in unserer Community betrifft. Ich habe mich auch schon mal gefragt, wie es wohl sein wird wenn ich mal in einem Pflegeheim landen sollte. Ich bin ja Jemand der sich gerne offen mit anderen Menschen unterhält und da wird es bestimmt eine Frage wie ich es da den Mitbewohnern und vielleicht auch mal dem Einen oder Anderen vom Personal erzähle. dasd ich immer mit Männern zusammen gelebt habe und sogar mit Einem verheiratet war. Sorgen mache ich mir da nicht groß, ich habe das im Berufsleben geschafft und ich denke, ich werde das auch im Altenheim hinbekommen, hauptsache ich finde da eine Skatrunde !
M*********mWas mal in 20 oder 25 Jahren sein wird beschäftigt mich auch. Vor allen da ich nicht davon ausgehe nochmal einen Partner zu finden..... immerhin lebe ich in einer Wohnung, die alten - und behindertengerecht ist, mit genügend Platz für Rollstuhl/Rollator, Fahrstuhl.... da werde ich mir, wenn die Gesundheit so bleibt wie sie ist (und wenn ich meinen 87jährigen Vater ansehe, sind die Chancen da dass ich zumindest ein paar Gene von ihm abbekommen habe), keine Gedanken um einen nochmaligen Umzug machen müssen.
Und was Kommunikation mit anderen angeht..... darüber mache ich mir tatsächlich erst dann Gedanken, wenn mein Arbeitsleben vorbei ist und ich schauen muss, was dann im meiner kleinen Gemeinde möglich ist.
Angst vorm Alter habe ich aber definitiv nicht. Nur wenn die gesundheitlichen Einshränkungen kommen werde ich das vermutlich anders sehen.